Die Kinder spielen draußen und haben Dreck an den Händen? Nun, im Idealfall handelt es sich um gesunden, lebendigen Boden mit wertvollen Humusanteilen.
Leben im Boden. Leben am Boden. Leben vom Boden.
Ein lebendiger Boden bringt widerstandsfähige Pflanzen hervor, die Mensch und Tier mit wertvollen Nährstoffen sättigen. Er ist gut durchwurzelt, hat einen hohen Humusanteil und beherbergt eine Vielfalt an winzigen Lebewesen, den Mikroorganismen. Um das Bodenleben zu fördern, werden bei der sogenannten regenerativen Landwirtschaft einige Grundprinzipien befolgt: Ganzjährige Begrünung, möglichst wenig Bodenbewegungen wie Pflügen, Zwischenfrucht und Untersaat für mehr Biodiversität, Verzicht auf Fungizide und Insektizide. Hubert Ullmann, Weinbauer und Biolandwirt in Oberkreuzstetten, arbeitet seit zwölf Jahren nach diesen Prinzipien.
"In diesem Zeitraum hat sich der Humusanteil in meinen Weingärten um ein Prozent erhöht, das klingt nicht viel, macht aber einen großen Unterschied. Das Öksystem reagiert eben recht langsam," so der Winzer.
Die Wurzelausscheidungen verschiedener Pflanzen ernähren eine Vielfalt an Mikroorganismen. Wird nach Methoden der regenerativen Landwirtschaft in einem Getreidefeld zusätzlich eine Untersaat aus niedrigen Mischpflanzen angebaut, schützt diese nach der Ernte den Boden vor Austrocknung und füttert weiterhin das Bodenleben.
Bodengesundheit und Ertrag ausbalanzieren
"Ich musste vor allem anfangs eine Balance finden, den Boden zu verbessern und gleichzeitig den Ertrag im Auge zu behalten", erklärt Ullmann, "Ich dünge den Boden, und nicht die Kulturpflanze, dazu braucht es langjährige Beobachtung der Wirkungen."
In seinen Weingärten blühen zwischen den Rebzeilen Gräser und Kräuter, Klee und Blumen. Diese werden nicht gemäht, sondern mit der Messerwalze geknickt, um ausreifen zu können und den Boden locker zu bedecken. Wenn bei einem Geruchstest eine Handvoll Erde nicht nach Keller, sondern nach Wald und Wurzelwerk duftet, ist Ullmann zufrieden.
Du bist, was du isst
Bei einem Vortrag zu Bodengesundheit im Gemeindezentrum Kreuzstetten stellte der Mediziner und Biologe Martin Grassberger die Auswirkungen eines intakten Bodenlebens auf den menschlichen Organismus dar. Mit dem Essen werden alle in der Nahrung enthalten Mikronährstoffe über den Darm aufgenommen. In den letzten Jahrzehnten schwanden jedoch die wertvollen Anteile und vermehrt finden sich Spuren von Antibiotika, Pestiziden oder Mikroplastik auf unseren Tellern. In Kombination mit hochgezüchteten Pflanzensorten, die optisch gefällig und lange haltbar sind, die aber weniger von lebensnotwendigen Vitaminen und Spurenelementen enthalten, besteht immer höufiger trotz Nahrungsüberangebot eine Form der Mangelernährung.
"Die Zunahme der Bodendegradierung und gleichzeitig der Anstieg von Zivilisationserkrankungen hängen direkt zusammen, und das ist eine Katastrophe in Zeitlupe", so Grassberger.
Wertvolle Nahrungsinhaltsstoffe seien jedenfalls um ein Vielfaches häufiger in unbehandeltem Gemüse und Getreide anzutreffen und gäben dem Körper bereits bei geringeren Mengen ein Sättigungsgefühl. Der Wissenschaftler sieht aufgrund weltweiter Studien die Häufigkeit von Allergien, Diabetes, Krebs und auch psychischen Erkrankungen durch die verschlechterte Ernährungsqualität und veränderte Lebensweise bestätigt.
Wurzeln und Darmzotten: wie Spiegelbilder
Martin Grassberger: "Die Ähnlichkeit zwischen Wurzeln von Pflanzen und den Zotten im Darm ist faszinierend. Beide Systeme sind unglaublich effizient, ihren Organismus zu ernähren - sofern die Bedingungen passen. Sie reagieren aber auch empfindlich bei Störungen."
Alle Lebewesen seien miteinander genetisch verwandt und es wirkten partielle Veränderungen weitreichend auf alle, erklärt der Autor mehrerer Wissenschaftsbücher. Es gäbe keine simplen Erklärungen und Lösungen, um rasch aus der negativen Spirale auszusteigen, meint er. Wichtig ist ihm, das Bewusstsein für diese Zusammenhänge zu schärfen und jedem zu ermöglichen, seine Schlüsse und Handlungen daraus abzuleiten.
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