Gabi, allein im Wald

"So, ich geh' ein paar Tage in den Wald." Als ich diese Ankündigung tat, erntete ich ein saloppes "cool" bis zu besorgten Fragen: Ganz allein? Was kannst du dort essen? Wirst du nicht Angst haben in der Nacht? Und, noch eine Frage mit zusätzlich hochgezogenen Augenbrauen: ?!Warum denn?!

Hütte in der Wildnis

So ganz spontan war mein Umzug in die "Wildnis" natürlich nicht. Ich hatte die Wahl des Ortes für meine Auszeit schon länger gut geplant und schließlich sehr pragmatisch umgesetzt. Ich blieb dafür mitten im Weinviertel, und doch am Rande menschlicher Zivilisation, nur von Wald umgeben. Und, zugegeben: Die Waldhütte meines Vertrauens fiel in die Kategorie „Luxus“. Sie hatte Strom. Sie hatte ein wunderbares  Bett. Es gab ein Waschbecken mit Warmwasser, Dusche und WC. Und das Tollste: Über dem Bett befand sich ein Glasdach, und durch dieses würde ich nun ganz ganz oft nach oben, direkt in einen Blätterhimmel schauen - das wusste ich schon im Vorhinein. Ich sah in meiner Waldzeit immer wieder die mächtigen Baumdächer über mir in der Morgensonne, ich sah sie im Sturm schwanken, im Regen triefen und ich konnte am nachtschwarzen Himmel die Sterne durch die Blätter funkelnd erkennen. Die von mir ausgewählte Unterkunft für meinen Rückzug fand ich in einer von acht Waldhütten, die im Ochys Kletterpark in Oberkreuzstetten zu mieten sind.

 

Ich wohnte also einige Tage allein auf einer Anhöhe mitten im Wald, der sein Frühlingskleid angezogen hatte. In den ersten Stunden nach meinem Hüttenbezug fühlte ich die Stille in den Ohren rauschen. Nach und nach traten die Geräusche der Natur stark in mein Bewusstsein: Die Vögel, ihr Getschilpe steigerte sich bis zum Abend auf Urwaldlautstärke. Das Rauschen der Blätter im Wind und das Knarren der Äste. Und sonst nichts. Vor der Hütte sprangen die Eichhörnchen von Baum zu Baum, Amseln suchten, mich ignorierend, ganz nahe im Laub nach Insekten, kleine Brummkäfer umschwirrten mich, ich entdeckte Mäuselöcher im Boden und hier und da ein Spinnennetz. Diese Umgebung war also jetzt mein zu Hause, und ich fühlte mich sehr bald willkommen und angenommen.

 

 

 

Ohne Überfluss ausreichend genährt

 

In meiner Hütte gab es keine Kochgelegenheit, aber in einer größeren Gemeinschaftshütte, die über ein verschlungenes Wegerl in Sichtweite zu erreichen war, befand sich eine Kochplatte. Zwei warme Mahlzeiten gönnte ich mir pro Tag, und die brauchte ich auch. Denn die Temperaturen waren gar nicht Frühlingshaft, sondern lagen zwischen 2 und maximal 15 Grad, dazu oft Regen, und über eine Heizung verfügte mein Domizil nicht. Ich kochte in meinem einzigen Topf in der Früh ein warmes Porridge und gegen Abend Polenta mit getrockneten Pilzen, ergänzt mit Blättern vom Breitwegerich. Oder Couscous mit Gemüse, verfeinert mit Brennnessel Blättern. Oder Risotto mit Kräutern. Dazwischen trank ich viel Tee, oft direkt aus dem was rund um mich wuchs, die Taubnessel wurde bald zu meinem Lieblingswaldgeschmack. Ich wollte bewusst nicht in meinen Rückzugstagen zum Einkaufen gehen, hatte daher Knäckebrot mitgenommen und Käse, zum Knabbern einige Nüsse und Rosinen. Ich fand, es sollte auch meine Nahrung zu einem reduzierten Leben im Wald passen. Apropos Reduktion: Diese mündete unweigerlich in Erweiterung und Tiefe, und das wird sie immer wieder tun.

Fad? Überhaupt nicht.

 

Ja, was habe ich denn so all die Tage gemacht? Dazu schicke ich voraus, dass meine gepackte Reisetasche neben Zahnbürste und einer Garnitur Zweitgewand auch einige Bücher und meine geliebten Schreibhefte beinhaltete. Ich wollte mich in diesen Tagen um mich selbst kümmern, und das geht bei mir immer mit Gedanken sortieren, Pläne schmieden und schreiben einher. Und dazu lasse ich mich auch von inspirierenden Menschen unterstützen, diese lud ich in Buchform und über meinen Laptop zu mir ein. So besuchten mich in meiner Waldenklave Barbara Pachl-Eberhart mit ihren Anregungen zum Schreiben, Stefanie Stahl mit ihren Übungen zum Schatten- und Sonnenkind oder Jumpha Lahiri mit ihrer eigenen Transformation durch das Erlernenen der italienischen Sprache. Mein Bett und mein Tisch waren übersät mit Heften, Stiften und Büchern. Ich wechselte von hingeatmeten Sätzen zu meinem Italienisch Vokabelheft und weiter zur Zeichnung meines Sonnenkindes und dann wieder zurück. Dazwischen, je nach Regenpause, kurze und sehr lange Spaziergänge. Dass ich in dieser Zeit herrlich inspiriert war merkte ich auch daran, dass ich aus jedem und allem etwas hätte machen können. So wurde ich auf einer meiner ausgedehnten Wanderungen zur Steine-Sammlerin und schleppte rund 20 große, glatte Kieselsteine von einem Feld zu einer versteckten Zwischenstation. Ich war mir dabei ganz sicher, dass ich auf diese Rundlinge später die tollsten Sachen malen oder schreiben würde. Sie liegen nun mittlerweile auf einer Ziegelmauer bei mir zu Hause und harren der Dinge, die da noch kommen wollen.

Abhängig

 

Das reduzierte Leben habe ich genossen. Es war angenehm, nur so wenig Besitz im Blick zu haben. Allerdings wurde mir auch klar, wovon ich abhängig bin: unter anderem von Strom und Internet. Damit meine ich nicht soziale Medien – diese habe ich in dieser Zeit völlig ausgeklammert – sondern die Möglichekeit für eine schnelle Recherche zu einer auftauchenden Frage oder um ein online Seminar anzuschauen. Ich habe bewusst wenig telefoniert in meinen Waldtagen und auch keine E-Mails gelesen oder beantwortet, aber dennoch war Internet und Telefon ein wesentlicher Anker für mich und auch ein gewisses Sicherheitsnetz. Der dafür nötige Strom aus der lokalen Photovoltaikanlage war auch für meine warmen Mahlzeiten sehr willkommen, die andere Alternative wäre der Lagerfeuerplatz gewesen, der allerdings häufig regennass war.

 

Was werde ich danach vermissen?

 

Abgesehen davon, dass ich es als absoluten Luxus empfand, meine Tage nur nach meinen Wünschen zu strukturieren, wird mir das Waldgrün vor der Tür und vor den Fenstern fehlen und auch die lebendige Geräuschkulisse. Ich werde auch vermissen, so ganz direkt im Schoß von Mutter Erde zu leben und die schützenden Äste über meiner Hütte zu spüren, in die ich beim Einschlafen und beim Aufwachen immer viele Atemzüge lang hinein geschaut habe.

 

Und was nehme ich für mich mit?

Ich kann mit sehr wenig auskommen. Ich bin mir selbst genug - zumindest eine Zeit lang. Ich mag Bäume. Ich lebe in einem Paradies. Ich bin dankbar für alle Menschen, die mein Leben bereichern - sei es persönlich oder virtuell.

 

Ochys Waldhütten: ochys.at

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Karin Opitz (Dienstag, 25 Mai 2021 18:08)

    Inspirierend!

  • #2

    Uli Martenson (Donnerstag, 10 Juni 2021 11:18)

    Danke, dass du uns an deinem bemerkenswerten Experiment teilhaben lässt! Weiterhin alles Gute �